1. Februar 2024

Weltkrebstag 04.02.2024: Gesicht zeigen! Für mehr Wissen und weniger Angst bei Krebs

In NRW erkranken jährlich mehr als 117.000 Menschen neu an Krebs*. Hinter dieser anonymen Zahl stehen Menschen wie „du und ich“. Nicole Herber erkrankte 2022 an Brustkrebs. Sie fühlte einen Knoten und wusste sofort, dass etwas nicht stimmt. Der Kölner Motoradpolizist Dirk Rohde bekam 2015 die Diagnose Mundbodenkrebs. Mit Krebs hatte er nicht gerechnet, ebenso wie Bernd Haufe. Seine Darmkrebserkrankung wurde 2004 zufällig bei einer Vorsorgedarmspiegelung entdeckt. Seitdem lebt er mit einem künstlichen Darmausgang. Obwohl die Erfahrungen der drei sehr unterschiedlich sind, eint sie die starke Motivation, Krebs öffentlich zum Thema zu machen. Für die Krebsgesellschaft Nordrhein-Westfalen e.V. zeigen sie (gemeinsam mit 12 anderen Krebsbetroffenen) ihr Gesicht und erzählen ihre Geschichte – mit dem Ziel, Mut zu machen und Berührungsängste in der Gesellschaft abzubauen. „Mehr Wissen über Krebs heißt für uns: weniger Mythen und weniger Tabus“, berichtet Prof. Dr. med. Ullrich Graeven, Vorstandsvorsitzender der Krebsgesellschaft NRW e.V. „Krebs betrifft sehr viele Menschen und doch ist es schwer, darüber zu sprechen und es gibt viele Wissenslücken. Das macht den Alltag der Betroffenen doppelt schwer. Das wollen wir gemeinsam mit unseren Mutmacherinnen und Mutmachern ändern“, so Graeven.

Niemand sollte mit der Diagnose Krebs alleine sein

Die Krebsgesellschaft NRW e.V. ist seit 1951 Ansprechpartnerin und Anlaufstelle, wenn es um Krebserkrankungen in NRW geht. Das gilt sowohl für die Stärkung der Krebsvorsorge, damit weniger Menschen erkranken, als auch für die direkte Hilfe, wenn Krebs diagnostiziert wird. Hier benötigen viele Betroffene und Angehörige begleitenden Rat, um neue Orientierung zu finden und die Krankheit besser zu bewältigen“, erklärt Heike Heymann-Pfeiffer, Geschäftsführerin der Krebsgesellschaft NRW e.V. Mit einer telefonischen Erstauskunft für NRW sowie Beratungsangeboten an den Standorten Bochum, Brühl, Düsseldorf, Frechen, Neuss, Olpe und Wesseling sorgt die Krebsgesellschaft NRW e.V. dafür, dass Ratsuchende kostenfreie Beratung erhalten. Die Krebsgesellschaft NRW e.V. hat es sich zur Aufgabe gemacht, Krebsbetroffene und ihre Angehörigen zu unterstützen, die Krebsprävention zu fördern und das Thema Krebs in der Gesellschaft offen zu thematisieren. Weitere Hauptziele sind es, die Lebensqualität von Krebsbetroffenen zu verbessern und dazu beizutragen, dass Krebs besser verstanden und bekämpft wird.

Nicole Herber, Dirk Rohde und Bernd Haufe sind drei von insgesamt 15 Mutmacherinnen und Mutmachern für die Krebsgesellschaft NRW e.V. Jede und jeder von ihnen steht symbolisch für die Menschen, die in NRW von Krebs betroffenen sind – für die Erkrankten und für die große Zahl der Angehörigen, die die Krankheit mittragen, bedingungslos helfen und unterstützen. Sie stehen aber auch für Krebsvorsorge und Prävention mit den vielen kleinen Dingen, die wir alle tun können, um unsere Gesundheit zu erhalten.

Nicole Herber (48) erkrankte 2022 an Brustkrebs (triple-negatives Mammakarzinom). Dieses Krankheitsbild ist gekennzeichnet durch aggressives Wachstum mit hohem Risiko der Metastasenbildung. Nicole hat den Tumor selbst ertastet und sie wusste sofort, dass etwas nicht stimmt. Ihr erster Gedanke als die Diagnose feststand war: „Jetzt sterbe ich!“ Es folgten Chemo, OP und Bestrahlung – eine schwierige Zeit mit vielen Stillständen. „Ich fühlte mich wie eine tickende Zeitbombe“, sagt sie. Und trotzdem war klar: „Ich ziehe das jetzt durch!“ Die Konfrontation mit „Krebs“ war für sie zu diesem Zeitpunkt kein neues Gefühl. Ihre Mutter und ihr Cousin waren zuvor an Krebs erkrankt. Alles zusammen war das schon eine „ganz schöne Packung“. Es gab Momente an denen sie resignierte, erinnert sie sich, aber eigentlich gab es nie die Option aufzugeben. „In der Therapiezeit habe ich gelernt, spontan Dinge zu planen, Kurzreisen zu machen und gute Momente auszukosten“, sagt sie: „Du weißt ja nicht, wie es dir in einer Woche geht.“ Von Anfang an war ihr klar, dass sie offensiv mit ihrer Krankheit umgeht. Heute ist sie krebsfrei und es geht ihr gut, obwohl sie deutlich sagt: „Überstanden ist hier gar nichts.“ Da sind die Erinnerungen, die Schmerzen und die Sorge, dass der Krebs wiederkommt.“ Hier ist es wichtig, sich Hilfe zu suchen. Gespräche in der Krebsberatung Düsseldorf haben ihr geholfen, Belastungen und Kraftquellen zu erkennen: „Auch, wenn das vermeintlich Schlimmste vorbei ist, kann es hilfreich sein, mit Menschen zu sprechen, die sich auskennen und die nicht so nah an mir dran sind.“ Das hilft, ihr Motto im Auge zu behalten: „Schritt für Schritt gegen Krebs!“ „Ich bleibe aktiv, mache Sport, suche mir Herausforderungen – nicht alles auf einmal, aber Schritt für Schritt.“

Dirk Rohde (59) ist Motorradpolizist und kennt sich mit schwierigen Situationen aus. 2015 wird seine Belastbarkeit auf eine harte Probe gestellt. Aus der Annahme, er habe einen Abszess, wird die niederschmetternde Diagnose Mundbodenkrebs. Auslöser: eine chronische Humane-Papillomviren-Infektion (HPV). Es folgen mehrere Operationen, Chemo- und Strahlentherapie. „Das war die schwerste Zeit seines Lebens“, blickt er heute zurück. Er konnte kaum Nahrung zu sich nehmen, verlor stark an Gewicht und Kraft. „Wenn du eine solche Diagnose bekommst, fühlst du dich mit deiner eigenen Endlichkeit konfrontiert. Da hast du Todesangst.“ Dieses Gefühl hat ihn sehr lange begleitet. Wer ihm heute gegenübertritt wird nichts davon ahnen. Er arbeitet wieder in seinem Job, ist fit und lebt einen „normalen“ Alltag. Natürlich mit starken Einschränkungen. Fast die Hälfte seiner Zunge fehlt. Essen, Trinken und Sprechen sind keine Selbstverständlichkeit mehr. „Am Anfang war ich verzweifelt, aber heute beeinflusst mich das nicht mehr so sehr“, sagt er. Sein Ziel war es, wieder zu arbeiten, wieder Motorrad zu fahren. Auf die Frage, ob die Krankheit ihn verändert hat, entgegnet er: „In persönlichen Beziehungen bin ich kompromissloser geworden. Wenn Menschen mir nicht guttun, dann löse ich mich von ihnen.“ Im beruflichen Kontext ist es andersherum. Da ist er milder geworden: „Ich versuche heute vieles mit mehr Verständnis zu regeln.“ Neben seinem Job setzt er sich für andere Betroffene ein, unterstützt und macht Mut. Das gilt auch für das Thema Krebsprävention. Für Kinder und Jugendliche gibt es mittlerweile eine präventive Impfung, damit HPV-bedingte Krebsarten gar nicht erst entstehen. Diese ist auch für Jungen relevant, da sie nicht nur Gebärmutterhalskrebs, sondern auch Penis- und Analkrebs sowie Krebs im Mund-Rachenbereich verhindern kann.

Es war eine Zufallsdiagnose, die Bernd Haufe (69) vor fast genau 20 Jahren erhielt. Auf Drängen seiner Frau war er damals zur Darmspiegelung gegangen. Entdeckt wurde ein sieben Zentimeter großer Tumor am Darmausgang. Beschwerden hatte er nicht. „Damit hatte ich nicht gerechnet. Ich war bis zu diesem Zeitpunkt noch nie ernsthaft krank gewesen“, erinnert er sich: „Ich habe die Diagnose zuerst auch nicht hinterfragt. Ich wollte das nicht wissen.“ Dann folgte ein erster Schritt. Meine Frau fragte mich mit dem Fingerzeig auf meine Zigaretten: „Willst du weiterrauchen?“ Nein, das wollte er nicht. „Mir wurde klar, ich muss mich jetzt mit meiner Krankheit und meinem Lebensstil auseinandersetzen.“ Trotz dieser innerlichen Kehrtwende ging es noch weiter bergab. Nach der Operation stellte sich heraus, dass der künstliche Darmausgang (Stoma) nun dauerhaft bleiben müsse, nicht nur vorübergehend. „Ich wollte das noch nicht einmal ansehen, so fremd war mir das. Auch konnte ich mit niemanden sprechen, der eigene Erfahrungen mit einem Stoma hat.“ Das war eine schwere Zeit. Er liest viel, macht sich vertraut mit der Stomaversorgung und gesunder Ernährung: „Mir war klar, ich muss in der Lage sein, mich selbst zu versorgen.“ Aus seinem Umfeld kommen wohlwollende Worte „das wird schon wieder“. „Das könnt ihr doch gar nicht wissen!“, dachte er damals und ging den nächsten Schritt. Er begann Fahrradzufahren – immer, wenn es möglich war. Und er suchte sich Hilfe bei der ILCO**. Das erste Gruppentreffen: „Für mich ein Reinfall“, erinnert er sich: „Dort waren nur alte Leute.“ Er ging nicht wieder hin, blieb aber in Verbindung und intensivierte sein Engagement für Betroffene. Heute ist er als Vorstandsmitglied, sowohl im ILCO NRW-Landesverband als auch in der Krebsgesellschaft NRW e.V., aktiv. Er macht Klinikbesuche und ist Ansprechpartner für Erkrankte und Angehörige – eine wichtige Arbeit für ihn. „Jemand der mir zeigt, dass man mit einem Stoma gut leben kann, das hätte ich mir damals auch gewünscht.“ Auf die Frage, ob es ihn wütend mache, wenn Menschen die Angebote zur Darmkrebsvorsorge nicht wahrnehmen, antwortet er ruhig: „Nein, das nicht, aber ich versuche aufzuklären, dass es eine große Chance ist. Die Darmspiegelung kann Krebs nicht nur früh erkennen, sondern auch gänzlich verhindern. Das ist schon eine kleine Wunderwaffe gegen Darmkrebs.“                 

*Quelle: „Krebs in Nordrhein-Westfalen“, Landeskrebsregister Nordrhein-Westfalen, Datenbericht 2019, https://www.landeskrebsregister.nrw/fileadmin/user_upload/dokumente/veroeffentlichungen/LKR-NRW_Datenbericht_2019.pdf

** Die Deutsche ILCO e.V. ist die größte deutsche Selbsthilfevereinigung von Stomaträgern, Menschen mit Darmkrebs.